„Wenn doch so viele Frauen eine PDAbenötigen, dann frage ich mich tatsächlich, ob eine Geburt ohne Schmerzmittel wirklich zu schaffen ist?“
So lautete letzte Woche die Frage einer besorgten Frau, nach dem ich mit meinem Vortrag auf dem Schwangeren-Infoabend in meiner Klinik fertig war.
Nach dem Vortrag und der anschließenden Kreißsaalbesichtigung bleibe ich immer noch ein bisschen vor Ort und beantworte individuelle Fragen, die nicht gerne in der großen Runde gestellt werden. Oft bleiben dann noch einige Paare und es entwickeln sich ganz spannende Gespräche. Die besagte Frau wartete bis ganz zum Schluss und sagte dann noch: „Seit ich die Statistiken kenne, habe ich richtige Angst vor der Geburt.“
Ich war kurz echt sprachlos und dachte nur: „Halbwissen macht Angst.“ Vielleicht muss ich noch dazu sagen, dass ich die PDA beim Infoabend zwar immer anspreche, aber durchaus kritisch abhandel. Zahlen etwa darüber, wie viele Frauen die PDA tatsächlich beanspruchen, nenne ich nicht. Sie muss sich also schon vorher mit dem Thema beschäftigt haben.
Normal ist, was man kennt
Ich finde die Frage, und auch die daraus resultierende Angst, ganz bezeichnend für die derzeitige Entwicklung in der Geburtshilfe. Es ist so normal geworden einen Kaiserschnitt zu haben, die PDA ist an der Tagesordnung und viele Frauen hören überhaupt nicht mehr von einer gänzlich interventionsarmen Geburt. Dadurch muss doch der Eindruck entstehen, dass es nur in seltenen Einzelfällen überhaupt ohne geht. Und natürlich macht das Angst!
PDA – Fluch & Segen
Ich bekomme übrigens auch Angst, wenn ich mir die Statistiken anschaue. Aber der Grund ist ein ganz anderer: Interventionsarme Geburten werden nämlich wirklich selten. Die PDA ist ja schon die erste Intervention. Leider ist der Glaube weit verbreitet, eine Geburt liefe mit oder ohne PDA immer vorbestimmt gleich ab. Nur eben einmal mit und einmal ohne Schmerzen. Das stimmt so natürlich nicht! Denn durch die PDA wird der Geburtsverlauf signifikant verändert. Subjektiv wird er dadurch ganz klar verbessert, denn der Schmerz hört ja auf. Objektiv wird der Verlauf aber gestört und das hat Folgen: Ich habe diesen Mechanismus in meinem PDA-Artikel bereits ausführlich beschrieben.
In einer neuen Studie über den Gebrauch von PDAswird sogar davon ausgegangen, dass eine Geburt mit PDA im Schnitt gut zwei Stunden länger dauert, als eine ohne PDA. Na gut, vielleicht sind drei Stunden ohne Schmerzen besser, als eine Stunde mit… aber was macht das mit dem Baby? Es erlebt eine längere Geburt, die häufig mit einer Saugglocke endet. Warum? Z.B. weil die Gebärende entweder gar keinen Pressdrang mehr spürt, oder das Baby die nun leider längere Geburt eben nicht mehr so gut verkraftet, so dass entsprechend nachgeholfen und beschleunigt werden muss.
Die Frage dahinter
Ich möchte jetzt gar nicht ewig auf der PDA rumhacken, denn natürlich kann die PDA sehr nützlich sein. Sie ist aber ganz sicher nicht für jede Geburt die richtige Maßnahme. Und sie wird auch nicht von jeder Frau benötigt! Der fragenden Schwangeren aus dem Vortrag habe ich das natürlich auch gesagt.
Jede Frau möchte eine schöne Geburt und jede Frau stellt sich darunter etwas anderes vor. Lust auf Schmerzen hat da sicherlich keine. Die Frage hinter der PDA-Frage ist für mich die: „Wie kann ich eine schöne, gute und aushaltbare Geburt haben?“ Oft gehtdabeidie Frage aber in Richtung: „Was kann die Medizin für mich tun“ und ich antworte stets: „Es gibt Dinge, die Du selbst tun kannst. „Gib Dich nicht an der Kreißsaaltür ab“, lautet meine Empfehlung.
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Hier sind meine drei Lieblings-„Erfolgsfaktoren“ für eine Geburt
1. Die Herausforderung annehmen
Der für mich entscheidendste Faktor für eine gute Geburt ist die persönliche Einstellung zum Ereignis. Ein bisschen Angst zu haben gehört dazu und ist durchaus normal. Schließlich weiß niemand so genau was da auf einen zukommt. Aber die Geburt grundsätzlich als Herausforderung zu begreifen, und zwar als eine, die man bewältigen kann und wird, ist wichtig und sehr hilfreich.
Dazu gehört auch an sich und seinen Körper zu glauben. Unsere Körper sind so gemacht, dass wir in der Lage sind zu gebären. Die Wehen helfen uns bei diesem Prozess. Vielen Frauen gelingt es tatsächlich, sich über die Wehen zu freuen und sie willkommen zu heißen. Eine Frau, die diese Herausforderung annimmt, wird eine PDA nicht automatisch einplanen, da sie davon überzeugt ist, dass sie es auch ohne schaffen kann. Schaffen will! Und so kann sie das Wissen um diesen letzten Rettungsanker einfach ganz hinten im Kopf verstauen. Das ist nicht nur eine gute Taktik, sondern macht auch ein gutes Gefühl!
2. Ein gutes Team – ein guter Ort
Eine Geburt ist ja ein äußerst intimes Ereignis. Eine Frau weiß vorher nicht, wie es ihr ergehen und wie sie sich verhalten wird. Daher ist es wichtig völliges Vertrauen zum Begleiter, meistens ist das der Vater des Kindes, zu haben. Es gibt aber Frauen, für die der Partner nicht der ideale Begleiter bei der Geburt ist. Sie müssen sich dann überlegen, wer die Rolle alternativ ausfüllen soll. Das kann die Mutter, beste Freundin, Schwiegermutter, oder sonst wer sein. Wichtig ist nur, dass sich die Gebärende durch ihre Gesellschaft unterstützt fühlt und sich fallen lassen kann. Und auch der Begleiter sollte volles Vertrauen in die Kraft der Frau haben. Denn nur so kann er sie optimal motivieren und unterstützen.Für die PDA-Frage bedeutet das, dass der Begleiter der Frau zutraut auch ohne die PDA auszukommen.
Natürlich besteht das Geburtsteam auch aus der Hebamme und – im Fall einer Klinikgeburt – dem Arzt. Deshalb gehört für mich auch noch der Ort, an dem die Geburt stattfindet, zu den Erfolgsfaktoren dazu. Wo für euch der optimale Ort ist, das müsst ihr selbst rausfinden.
Ach Du liebe Zeit
In diesem Zusammenhang ist übrigens die tatsächlich verfügbare Betreuungszeit des Teams ein weiterer, wichtiger Faktor: Denn Studien belegen, dass weniger Schmerzmittel benötigt werden, um so mehr Betreuungszeit die Hebammen den Frauen widmen können.
Und umgekehrt bedeutet das in der Praxis leider auch schon mal: Wenn die betreuende Hebamme für mehrere Frauen gleichzeitig da sein muss, ist es für sie durchaus praktisch, wenn eine davon eine PDA bekommt. Denn dann braucht sie deutlich weniger Aufmerksamkeit und Betreuung. Schon allein deshalb ist die PDA-Rate in großen Kliniken, oder in Häusern mit extremen Personalmangel und Zeitdruck, sicher größer, als in kleineren Häusern.
Bei den aktuellen politischen Überlegungen ist das übrigens ein Aspekt, der vor allem dann oft untergeht, wenn mal eben lapidar vorgeschlagen wird, einfach alle Frauen in großen, zentralen Geburtszentren zu entbinden.
Es lohnt sich also sehr, nicht nur das Team, sondern auch den Geburtsort ganz bewusst auszusuchen.
3. Eine Prise Glück
Der dritte Faktor ist die Schicksalskomponente. Sie ist bei jeder Geburt mit dabei und die einzige, die nicht beeinflussbar ist. Eine gute Prise Glück braucht also jede Geburt.
Bitte weitersagen…
Der Frau vom Infoabend ging es nach unserem Gespräch schon gleich viel besser. Sie blickt der Geburt jetzt deutlich positiver entgegen. Und ich bin froh über diese wirklich gut investierten 10 Minuten des persönlichen Gesprächs und der Aufklärung.
Ja, eine Geburt ohne PDA ist möglich und sollte eigentlich der Normalzustand sein, von dem erst mal alle ausgehen.
Bitte weitersagen… 😉
Jana FriedrichHebamme (B. Sc. of Midwifery)
Jede Frau hat das Recht auf eine positive, selbstbestimmte Geburtserfahrung. Seit ich Hebamme geworden bin verhelfe ich Frauen dazu.
Ich bin Jana Friedrich, Mutter von zwei Kindern, Hebamme seit 1998 (und seit September 2020 mit B. Sc. of Midwifery), Bloggerin seit 2012, Autorin zweier Bücher, Speakerin und Expertin im Themenbereich Familie. Mit meiner Expertise unterstütze ich darüber hinaus auch Kulturschaffende, Firmen und Politiker*innen.
In diesem Blog teile ich mit dir mein Wissen und meine Erfahrung rund um Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und das erste Jahr mit Baby.
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